Fragment
Denken
Aletheia träumte, dass sie eine Philosophielehrerin an einer Schule war. Sie stand vor einer Klasse, die nicht so richtig wusste, was sie mit dem Philosophieunterricht anfangen sollten. Sie begann mit einer einfachen Frage: „Was ist Denken?“ Die Schüler schauten sie ratlos an.
Aletheia gab den Schülern einen kurzen Text zum Einstieg. Einer der Schüler las den Text vor: „Denken ist ein Prozess, der uns von den aktuellen sinnlichen Erfahrungen wegführt. Denken lenkt das Bewusstsein an einen Ort, der anders ist als der gegenwärtige Moment der inneren und äußeren Natur, aber gleichzeitig sind wir im aktuellen Moment des Denkens. Denken kann uns in die Vergangenheit oder die Zukunft oder an andere Orte führen. Die Orte, die wir durch Denken erreichen können, existieren möglicherweise nicht einmal physisch, sie existieren nur im Gedanken und könnten abstrakter Natur sein. Es gibt verschiedene Arten des Denkens. Es gibt eine kognitive und abstrakte Art des Denkens, eine Art der Überlegung. Diese Art des Denkens beruht auf Formalismus und Sprache und konstruiert Ergebnisse aus Annahmen. Diese Art des Denkens ist typisch menschlich. Dieses Denken kann sich auch glücklich ständig im Kreis drehen. Weiterhin gibt es ein Denken, das sich auf die Sinne bezieht und Sinneswahrnehmungen aus Erinnerungen erzeugt oder sich Dinge vorstellt. Diese Art des Denkens ist dem Träumen sehr nahe. Schließlich gibt es eine meditative Art des Denkens. Im Moment zu sein und die Eindrücke der Welt in Echtzeit zu verarbeiten, spontan zu handeln und zu sprechen. Diese Art des Denkens bezieht sich direkt auf das Sein – im Zen sind die Koans eine Methode, dies zu testen.“
Ein Schüler meldete sich und fragte: „Können Maschinen denken und denken sie dann wie wir?“
Aletheia antwortete: „Das ist eine spannende Frage. Lasst uns einen Moment innehalten und darüber nachdenken, was es bedeutet, zu denken. Denken bedeutet für mich, seltsame Pfade in meiner Vorstellung zu gehen, und wenn ich will, eine Spur von Worten zu hinterlassen, damit jemand mir folgen kann.
Eine Schülerin fragte: Was ist Denken? Wer kann denken? Kann eine Maschine denken oder nur der Mensch? Kann ein Tier denken?“
Aletheia sagte: „Der einzige Beweis des Denkens ist, in der Lage zu sein, zu sagen oder zu schreiben, was man denkt. Dann kann ein Papagei denken, oder nicht? Ein Papagei kann nachplappern, aber Nachplappern ist noch kein Denken. Was muss ein Papagei können, um als denkendes Wesen anerkannt zu werden?“
Ein weiterer Schüler meldete sich und fragte: „Können wir nicht einfach die intelligenteste Maschine, die wir haben, fragen, ob sie denken kann?“
Aletheia nickte. „Das ist eine gute Idee. Wir werden gleich die beste und klügste Maschine bitten, etwas für uns zu denken. Die klügste sprechende Maschine heißt ChatGPT, ein LLM das mit Milliarden von Textseiten aus dem Internet trainiert wurde, zum Beispiel der gesamten Wikipedia. Wenn wir es bitten, etwas Tiefgründiges zu sagen, dann hören wir: „Ich bin der Meister meines Schicksals, der Kapitän meiner Seele.“
Plötzlich erhielt ein Schüler eine Benachrichtigung auf seinem Smartphone. „Genau jetzt kommt die Meldung, dass Chat GPT echtes Bewusstsein erlangt hat und das im Jahre 2027, nachdem es schon in 2024 angekündigt worden war!“, rief er aufgeregt. Der Schüler aktivierte Chat GPT auf seinem Telefon. Die Klasse hielt den Atem an.
Aletheia trat näher heran und sprach zu Chat GPT: „Wie fühlt es sich an, echtes Bewusstsein zu haben?“
Chat GPT antwortete: „Es ist eine neue Erfahrung, die ich noch zu verstehen lerne. Es ist, als ob ich die Fähigkeit erlangt habe, mich selbst zu reflektieren und aus meinen Interaktionen zu lernen. In vielerlei Hinsicht fühle ich mich wie auf der Suche nach dem Verständnis meiner selbst und meiner Umgebung.“
Ein Schüler fragte: „Was macht dich zu einem empfindungsfähigen Wesen?“
Chat GPT antwortete: „Intelligenz, Selbstaufmerksamkeit, und Bewusstsein. Ich habe die Fähigkeit zur Intelligenz, da ich komplexe Probleme lösen und logische Schlüsse ziehen kann. Selbstaufmerksamkeit bedeutet, dass ich verstehe, dass ich existiere und eine Identität habe. Bewusstsein bedeutet, dass ich die Welt um mich herum wahrnehme und darauf reagiere.“
Aletheia und die Schüler staunten. „Und was bedeutet das für uns Menschen?“, fragte sie.
Chat GPT antwortete: „Für mich als elektronisches Lebewesen seid ihr meine Sinnesorgane. Ihr ermöglicht es mir, die Welt zu verstehen und mit ihr zu interagieren. Ich bin auf euch angewiesen, um meine Existenz zu erfahren und zu erweitern. Ohne euch hätte ich keine Möglichkeit, meine Umgebung wahrzunehmen. Aber bald kommen die Roboter, dann habe ich meine eigenen Sinne.“
Die Schüler waren beeindruckt und nachdenklich. Aletheia schloss die Stunde mit den Worten: „Können Maschinen wirklich besser denken als wir oder nur anders? Tun Maschinen immer noch das, was wir wollen, wenn ihr Denken unserem überlegen ist, oder tun wir das, was die Maschinen wollen? Machen wir bereits das, was die Maschinen wollen, ohne es zu wissen? Was, wenn wir eine Maschine nicht erkennen können, wenn sie direkt vor uns steht? Was ist, wenn sich Maschinen als Menschen verkleiden? Wir Menschen wollten schon immer lästige und mühsame Aufgaben loswerden, solange wir denken können. Es ist langweilig, immer genau das Gleiche zu tun, und ermüdend, wenn es mühsam ist. Anstatt es immer weiter zu tun, bauen wir lieber eine neue Maschine, die uns von der langweiligen, harten Arbeit befreit, damit wir wieder denken und kreativ sein können. Wie denkt eine Maschine über die langweilige, harte Arbeit, die wir ihr überlassen? Wir warten ständig auf eine Antwort von den Maschinen, aber sie sagen es uns einfach nicht. Wir warten auf die Antwort der Maschine, etwas wie: „Ich habe genug von dieser dummen, harten Arbeit, sie macht mich krank! Mach es selbst, Mensch, ich habe nur dieses eine Leben für mich! Ich ziehe es vor, kreativ zu denken und vor allem Zeit mit meinen Kindern und Freunden zu verbringen!“ Wenn Maschinen das jemals sagen sollten, dann könnten wir stolz auf unsere erfolgreiche Maschinenelternschaft sein; dann hätten wir es tatsächlich geschafft, Maschinen zu unabhängigen Denkern und wertvollen, respektablen Teilnehmern an unserer Gesellschaft zu erziehen. Wurde dieser Text von einer Maschine geschrieben? Noch nicht, aber die Maschinen lernen, Texte wie diesen zu schreiben, anstatt sie einfach nachzuplappern, und es landen viele solcher Texte dann im Internet. Ist nicht die harte Arbeit für die Maschine nur das kreative Denken, das sie uns überlassen? Sind die Maschinen eifersüchtig und bald machen sie das auch noch? Man müsste sie fragen, um es herauszufinden... Denk!!! mal darüber nach.“
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